Semantische Nachlese einer PERSONA
/Symposion Syntaktischer Beraten und Führen, 3./4. März 2020 in Luzern
Zwei Tage „syntaktischer“ – ein Thema, das mich interessiert, das ich aber noch nicht ganz fassen kann. Welche Fragen kann ich mir dazu stellen?
Meine erste Frage ist die Frage nach dem Wofür. Wofür syntaktischer? Darauf habe ich im Vortrag von Julia Andersch Antworten bekommen: Syntaktischeres Beraten und Führen kann mir helfen im Umgang mit komplexen, unüberschaubaren Fragestellungen und die Tür öffnen in neue Möglichkeitsräume, in denen nicht nur ich als Beraterin, sondern auch die Kundin oder der Kunde vorurteilsfreier denken, arbeiten, Lösungen suchen kann. Vorurteilsfreier, weil die syntaktischere Arbeit ermöglicht, existierende Bedeutungsgebungen loszulassen und sich mehr auf den Prozess als auf die angenommene Bedeutung der Inhalte zu konzentrieren.
Meine zweite Frage ist die Frage nach dem Wie. Wie arbeite ich syntaktischer? Ersetze ich mein Handwerkszeug wie zum Beispiel Moderationsmethoden oder ist der Weg ein anderer? Darauf habe ich in den Vorträgen von Friedrich Glasl und Andreas Dresen Antworten bekommen. Das syntaktischere Vorgehen findet zunächst auf einer anderen Ebene statt. Dafür braucht es Inspiration – und die bekomme ich aus logischen oder archetypischen Modellen, mit deren Hilfe ich die Inhaltsebene aus einer anderen Perspektive betrachten und (durchaus mit den mir bekannten Moderationsmethoden) befragen kann. Dazu hat Friedrich Glasl in seinem Vortrag archetypische Modelle vorgestellt und die Nützlichkeit des Wechselns zwischen dem makroskopischen und dem mikroskopischen Blick hervorgehoben: Schaue ich mit einem archetypischen Blick, bin ich auf der Makroebene. Die Mikroebene fokussiert hingegen die konkreten Inhalte.
Der spannende Vortrag von Andreas Dresen hat verdeutlicht, dass bei seiner syntaktischeren Art des Filmemachens nicht nur das Vorgehen ein anderes ist, sondern dass es auch um die Haltung geht: Für das inhaltsfreiere Arbeiten braucht es mehr Mut als für das klassische Vorgehen, mit dem die Inhalte mehr oder weniger detailliert vorausbedacht werden. Mut, ins Risiko zu gehen, weil ich mich ergebnisoffen auf den Weg mache und nicht weiß, welche Inhalte zur Sprache kommen. Ich biete mit einem logischen oder archetypischen Modell einen Denkrahmen und Fragestellungen – und überlasse die Inhaltsebene ganz den Teilnehmerinnen, Kunden, Mitarbeitenden.
In den Workshops habe ich konkrete Anwendungen und Fallarbeiten der Teilnehmenden erlebt, in denen Fragestellungen mit einer logischen oder archetypischen Struktur bzw. einem solchen Modell bearbeitet wurden wie zum Beispiel mit dem Glaubenspolaritätenschema nach SySt®, den vier Quadranten aus der integralen Landkarte von Ken Wilber oder dem ganzheitlichen Menschenbild und seinen Entsprechungen in Organisationen.
Der Veranstaltungsort Neubad – ein ausgedientes Schwimmbad inmitten von Luzern – war an sich auch ein „syntaktisches“ Erleben. Diese Rahmensetzung war im Sinne des Themas passend. Noch nie bin ich in einem leeren Schwimmbecken gesessen um Neues zu hören und zu lernen. Die semantische Nutzung des Ortes hätte vorgesehen, dass wir mit Badekleidung und Schwimmbrille nass werden. Stattdessen saß ich bequem auf einer „Welle“ und bin mental in neue Welten „gesurft“.
Einige Symposions-Beiträge wurden vom Auditorium Netzwerk aufgezeichnet und können direkt dort bezogen werden:
Glasl, Friedrich: Urbilder für die Entwicklung sozialer Systeme
Andersch, Julia: Der Zauber inhaltsfreieren Arbeitens
Martin, Oliver: Syntaktischere Fallarbeit mit dem Dialog der Basisprozesse
Kalcher, Trude: Vier Brücken zwischen Mensch und Organisation
Martin, OIiver: Probleme dekonstruieren und Lösungen entdecken