Zurück in den Berufsalltag

Durch die Corona-Krise wurden die meisten von uns aus ihrem gewohnten Alltag geworfen. Die Arbeitssituation hat sich von heute auf morgen radikal verändert, u.a. weil viele von zu Hause aus arbeiten mussten. Aber nicht nur die Arbeit wurde dadurch deutlich in ihrem Rahmen verändert, sondern auch das Wohnen, das Zuhause erhielt eine völlig neue Dimension. Die Kinder waren zu Hause, der Partner oder die Partnerin arbeitete auch von zu Hause aus, der gemeinsame Mittagstisch war wieder «in», und vielleicht konnten sogar mehr gemeinsame Aktivitäten entwickelt werden, als es üblicherweise im Arbeitsalltag möglich war. Auch wurde das Feierabendbier in der Stammkneipe gestrichen, und das Treffen mit Freunden musste vorübergehend eingestellt oder digital abgehalten werden.

Nun kehren wir wieder langsam zu den gewohnten Rhythmen und Ritualen zurück. Es stellt sich die Frage, ob wir genau das gleiche tun wollen wie vor Corona. Oder aber wir nehmen uns Zeit, um  individuell, als Familie und als Team oder Organisation hinzuschauen, welche der neu gemachten Erfahrungen Perlen zum Mitnehmen sind. Vielleicht zeigt sich auch, dass es eingeschliffene Verhaltensmuster gab, die nur Kieselsteine waren, die wir nun fallenlassen können, weil sie im nachhinein gesehen keinen Sinn mehr machen oder nicht mehr gebraucht werden. Anders gefragt:
Was hat sich in dieser sonderbaren Zeit gezeigt, was es wert ist beizubehalten, und was konnte nicht mehr getan werden, das aber auch niemandem fehlt?

Auch ich als Berater von Trigon Entwicklungsberatung war und bin in einer ähnlichen Situation, und zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem französisch sprachigen réseau syllogos, dem ich ebenfalls angehöre, haben wir beschlossen Instrumente zu bauen, damit Interessierte sich genau diese Fragen in systematischer Art und Weise stellen können. Daraus wurde ein Set von Hilfsmitteln, das unentgeltlich zur Verfügung steht - auch auf Deutsch.

Interessierte Einzelpersonen finden einen Fragebogen, mit dem sie in mehreren Bereichen des Lebens zu einer Reflexion angeregt werden. Diese Gedanken könnten mit den Angehörigen, Freunden und Freundinnen, Nachbarn etc. ausgetauscht werden. Gemeinsam können daraus möglicherweise hilfreiche Ideen für eine Umgestaltung des Zusammenlebens entstehen.

Für Organisationen steht ein zweistufiger Prozess zur Verfügung. Erstens regen wir die einzelnen Mitarbeitenden an, sich Gedanken über den erlebten «Sonderzustand» zu machen (dies wieder mit Hilfe eines Fragebogens, der sich an den sieben Wesenselementen nach Friedrich Glasl orientiert). Dann soll in einem Workshop im Team, für den ein Leitfaden zur Verfügung steht, in Eigenregie ausgetauscht werden, so dass als Team oder als Organisation neue Formen der Zusammenarbeit gefunden werden können.

Wir haben zudem ein Forschungsprojekt mit der HES-SO Valais-Wallis (Fachhochschule Westschweiz) und dem Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Neuchâtel aufgesetzt. Das réseau syllogos und die Hochschulen anonymisieren und sammeln die Daten, um herauszufinden ob sich Muster zeigen, die vielleicht für zukünftige Coachings oder Organisationsentwicklungs-Projekte hilfreich sein könnten.

Wer sich für die Fragebogen und die Teilnahme an dieser Forschung interessiert, findet den Zugang zu diesen Instrumenten hier: https://syllogos.ch/de/dac-klp/

Dies ist natürlich nur eine Möglichkeit, die vergangenen Wochen als Quelle für eine bessere Zukunft zu nutzen. Krisen kommen immer wieder im Leben, und wir haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten damit umzugehen. Wir gehen ärmer und uns als Opfer fühlend zurück in den Alltag, oder wir erkennen, überdenken und nutzen die sich daraus ergebenden kleinen und grossen Chancen.

Viktor Frankl, ein österreichischer Psychiater und Gründer der Logotherapie sagte treffend:

«Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum.
In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht,
unsere Reaktion zu wählen.
In unserer Reaktion liegen
unser Wachstum und unsere Freiheit.

Lassen Sie sich Zeit, in diesem Raum nach einer nachhaltigen Verbesserung Ihres Lebens zu suchen.

Edoardo Ghidelli

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